Sigrun Rabbe Sanierungsträger Potsdam auf dem 69. Stadt Forum Potsdam
In der Innenstadt Potsdams hat sich in den letzten 30 Jahren ein fundamentaler Wandel vollzogen. Zum einen hat wurde die Sanierung der denkmalgeschützten Bausubstanz im Sanierungsgebiet 2.Barocke Stadterweiterung einschließlich Holländisches Vierteil großenteils abgeschlossen. Zum anderen wurde die Entwicklung im Sanierungsgebiet Potsdamer Mitte um den Alten Markt weit vorangebracht. Beide Gebiete bilden zusammen die Potsdamer Innenstadt, die auch in funktionaler und nutzungsbezogener Hinsicht einen wesentlichen Wandel und eine beträchtliche Aufwertung erfahren hat und weiter erfährt.
Im Rahmen der Sanierung wurde nicht nur der z.T. katastrophale Zustand der im Wesentlichen aus dem Barock stammenden Bausubstanz grundlegend und langfristig beseitigt, sondern auch wichtige funktionale Mängel der Potsdamer Innenstadt angegangen.
Sigrun Rabbe beschreibt in ihrem Vortag den erfolgreichen Prozess der Wiedergewinnung Potsdamer Mitte durch Leitbautenkonzept und Wiederherstellung der historischen Stadtstruktur mit dem Ziel einer lebendigen Innenstadt vom Alten Markt bis zur Garnisonkirche.
1. Die bisherigen Listen mit Glockeninschriften und Gewichtsangaben sind fehlerhaft. Die Glockeninschriften vor Ort auf der Plantage sind nie mit den archivalisch überlieferten Listen abgeglichen worden. Bisher kursierende Übersichten sind fehlerhaft. Auch die Gewichtsangaben stimmen teilweise nicht mit den tatsächlichen Glockengrößen überein.
2. Die Glockeninschriften stammen von ihren jeweiligen Spendengemeinschaften und müssen im Kontext des Gesamtprojekts bewertet werden. 26 von 40 Glocken tragen Inschriften. Auf der Stiftertafel am Glockengerüst sind weitere 28 Namen oder Abkürzungen eingraviert. Verantwortlich für den Wortlaut der Inschriften sind in den meisten Fällen die jeweiligen Spender oder Spendengemeinschaften. Eine Liste aller Spender existiert nicht oder wird von Max Klaar aus Datenschutzgründen nicht freigegeben. Viele Spender wollten anonym bleiben.
3. Die gusstechnische Qualität der Glocken ist als hoch einzuschätzen. Der Glockenspielnachbau aus Iserlohn ist kein Carillon. Die Qualität der Glocken ist laut Experten als hoch einzuschätzen. Der scharfe, blecherne Klang hat verschiedene Ursachen wie Aufhängung und Anschlagtechnik. Im wiederaufgebauten Turm der Garnisonkirche wird das „Iserlohner Glockenspiel“ keine Verwendung finden. Die SGP strebt stattdessen einen historisch-informierten Neuguss des Glockenspiels an.
4. Die beiden gespielten Melodien sind bekannte Volkslieder, die sich ebenfalls im historischen Kontext betrachten lassen. Zwischen 1991 und 1993 gab es regelmäßig freie Konzerte auf dem Glockenspielinstrument, darüber hinaus weitere Musikaufführungen nach Anfrage. Die beiden täglich per Automatik abgespielten Lieder „Üb‘ immer Treu und Redlichkeit“ und „Lobe den Herren“ lassen sich ebenso wie die Glockeninschriften historisieren. Es sind beliebte deutsche Volkslieder aus dem 18. bzw. dem 17. Jahrhundert, die in verschiedenen historischen Zusammenhängen Verwendung fanden.
5. Das „Iserlohner Glockenspiel“ ist eng mit Max Klaar und dessen Weltbild verbunden. Der gläubige Christ und Bundeswehroffizier Max Klaar ist die zentrale Antriebskraft für den Nachbau des Potsdamer Glockenspiels. Sein Engagement für Potsdam ist aus seiner Biografie heraus zu verstehen. Der Wiederaufbau der Garnisonkirche ist dem Preußenverehrer eine gottbefohlene Mission. Klaar wusste, welche politische Brisanz sein Projekt birgt. Die 1991 von der größten Glocke entfernte Deutschlandkarte mit den Grenzen von 1937 befand sich über der Inschrift „EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT FÜR DAS DEUTSCHE VATERLAND“
6. Die Verbundenheit mit Preussen verbindet viele Gleichgesinnte des Glockenspielnachbaus. Der Glockenspielnachbau ist ein Projekt konservativer Akteure aus Politik, Militär und Gesellschaft der Bundesrepublik der 1980er Jahre. Zahlreiche Spender waren in Veteranenkameradschaften oder Vertriebenenverbänden organisiert. Über die jeweiligen Vereinszeitschriften wurde Werbung für die Spendensammlung gemacht. Ihre Ostpreußen-Nostalgie und Preußen-Romantik eint die Spender. Zudem lässt sich die Projektunterstützung als nationalkonservativer Protest gegen das Verblassen der Wiedervereinigungsziele und die politische Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze in den 1970er Jahren interpretieren.
7. Die Debatten um die Glockeninschriften reichen bis zurück nach Iserlohn. Die Initiative zum Glockenspielnachbau ist in Iserlohn verwurzelt und erfuhr Unterstützung aus der dortigen Bürgergesellschaft. Die erste Debatte über die Inschriften spielte sich bereits 1984 in der regionalen Tagespresse ab. Ein kleines Geläut aus neun Glocken blieb 1991 in der Winkelmann-Kaserne und steht seit 1996 auf dem Gelände des Iserlohner Schützenvereins. Auf dem Neunergeläut befinden sich vier in Potsdam vermutete Glockeninschriften sowie die angeblich beschliffene „WESTPREUSSEN“- Glocke. Wetterfahne, Uhr und Predigtpult von 1986 sind ebenfalls noch in Westfalen.
8. Der Potsdamer Umgang mit dem Glockenspielnachbau ist zwiespältig. Die Glockenspielkopie wurde der Stadt Potsdam 1991 nicht aufgezwungen. Die politischen Entscheidungsträger zeigten sich argwöhnisch gegenüber der Initiative und nahmen den Protest gegen die Stifter und mögliche Probleme mit den Inschriften wahr. Die städtische Identitätssuche, das Bekenntnis zur historischen Rekonstruktion der Potsdamer Mitte sowie ein gewisser Geltungsdrang führten dazu, dass man dem Glockenspielnachbau und seinen Stiftern eine Bühne zur Einweihung bot.
9. Der spendenfinanzierte Nachbau des Potsdamer Glockenspiels ist kein Solitär. Zur Iserlohner Glockenspielinitiative gibt es aus der gleichen Zeit mehrere verwandte Projekte. Die Miniatur des Garnisonkirchenturms aus Bonn ist eine verkleinerte Kopie des einstigen Potsdamer Wahrzeichens (1980), das Glockenspiel im Kirchturm von St. Peter und Paul auf Nikolskoe hat ebenfalls das Originalinstrument zum Vorbild (1985) und auch der Carillon im Tiergarten ist eine Reminiszenz an die berühmten Glockenspiele in Potsdam und Berlin (1987).
10. Das „Iserlohner Glockenspiel“ ist Teil der Potsdamer Geschichte. Das nachgebaute Potsdamer Glockenspiel ist ein bedeutsames Objekt der Zeitgeschichte. Zum zukünftigen Umgang gibt es verschiedene Vorschläge. In Potsdam sollte ein Interesse an Aufklärung darüber bestehen, wer im öffentlichen Raum mit Erinnerungszeichen und Inschriften geehrt wird. Eingebettet in seinen historischen Kontext und als Teil einer Erinnerungslandschaft kann das stumme Instrument ein unbequemes obgleich unkonventionelles Wahrzeichen der Landeshauptstadt bleiben.
Das Ausstellungskonzept für den Turm der Garnisonkirche
Am 04. März wurde in der Sitzung des Kuratoriums der Stiftung Garnisonkirche die Konzeption für die Ausstellung im Turm einstimmig bestätigt und zur Umsetzung empfohlen.
Sie widmet sich der dreihundertjährigen Geschichte des Gotteshauses im Spannungsfeld zwischen evangelischer Kirche, Staat und Militär in den unterschiedlichen politischen Systemen, vor dem Hintergrund struktureller Veränderungen und in lokalen, regionalen, nationalen sowie europäischen Kontexten.
Die Ausstellung zeigt in sieben Themenbereichen exemplarisch für die Garnisonkirche Potsdam historische Zusammenhänge und ideengeschichtliche Wirkungen der engen Verbindung zwischen protestantischer Kirche und preußischem Staat mit seinem allgegenwärtigen Militärwesen, angefangen von der Grundsteinlegung der evangelischen Garnisonkirche im 18. Jahrhundert über die Entwicklung zur preußischen Militärkirche im 19. Jahrhundert, ihre Funktion als Symbolort des nationalistischen und demokratiefeindlichen Lagers in der Weimarer Republik, ihre Bedeutung in der Zeit des Nationalsozialismus bis zu ihrer Teilzerstörung am Ende des Zweiten Weltkriegs sowie ihrer Sprengung in der DDR – und bis in die Gegenwart hinein, einschließlich der Kontroversen um den Wiederaufbau.
Die Ausstellung wird ein nüchternes, kritisches und differenziertes Bild der Garnisonkirche und der preußischen Geschichte zeigen. Auch dieses Projekt ist dem Ziel verpflichtet, einen demokratie-, menschenrechts- und friedensorientierten Lern- und Bildungsorts deutscher und europäischer Geschichte zu schaffen. Das kleine Team um die Ausstellungskuratorin Maria Schultz entwickelt gemeinsam mit Hana Hlásková, der Bildungsreferentin der Stiftung, Mitmachstationen für die Ausstellung und Anknüpfungspunkte für die künftige Bildungsarbeit.
Die Vorplanung des Projektes wurde aus Eigenmitteln der Stiftung Garnisonkirche und der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam e.V. finanziert. Für die Realisierung der Ausstellung sind seitens der Stiftung Fördermittelanträge an die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) im Rahmen der Ergänzungsförderung zu der Baumaßnahme und an das Bundesministerium für Verteidigung gestellt. Die Gesamtkosten zur Realisierung der Ausstellung sind mit 1,03 Mio. € kalkuliert. Die Eröffnung der Ausstellung wird zeitgleich mit der Inbetriebnahme des Turms angestrebt.
Maria Schultz, Kuratorin der Ausstellung: „Mir ist besonders wichtig zu betonen, dass sich die geplante Dauerausstellung als Ort der kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte der Garnisonkirche, insbesondere mit der bis 1945 wirkmächtigen preußisch-militaristischen und zugleich antidemokratischnationalistischen Traditionslinie und damit den Entwicklungen des 19. und 20. Jahrhunderts, versteht. Wir wollen mit dieser Ausstellung darüber hinaus zum Austausch über die Bedeutung von Religions-, Glaubens- und Meinungsfreiheit anregen und damit die Wertschätzung demokratischer Errungenschaften in der Gegenwart unterstützen.“
Wieland Eschenburg, Kommunikationsvorstand der Stiftung Garnisonkirche: „Es ist ein gutes Gefühl, den ersten großen Abschnitt dieser Aufgabe nun an die Öffentlichkeit zu geben. Aber es ist nur ein Etappenziel. Fertig ist die Ausstellung, wenn sich zusammen mit der Eröffnung des Turmes die Türen für die Besucher öffnen. Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Die Verzahnung der Ausstellung mit der zukünftigen Bildungsarbeit im Turm ist schon in der Phase der Erarbeitung ein Kontinuum. Schritt für Schritt kommen wir der ganzheitlichen Betreibung des Turmes näher.“ Wieland Eschenburg