So weit so gut – diese Anhörung jedoch hinterließ bei vielen
einen faden Geschmack. Denn wer dabei war, dem wurde bald klar, dass es sich
nur um eine Anhäufung gleichgeschalteter, interessengesteuerter, stark
vernetzter Gruppen handelte, die allesamt Garnisonkirchen Gegner waren.
Auch gut, das ist legitim in einer Demokratie, dass man sich vernetzt.
Nur, wo blieb die Ausgewogenheit der Vortragenden? Es waren geladen für einen 5 Minuten Beitrag:
Die Nächsten, BI Potsdam ohne Garnisonkirche, Antimilitaristischer Förderverein, Rechenzentrum, Für e. V., Stadtjugendring – alles Gegner der Garnisonkirche, die sogar teilweise für den Abriss des Turmes votierten. Dazu der Kirchenkreis, der kein Schiff wollte, der Förderverein Garnisonkirche und die Stiftung der Garnisonkirche, die sich beide auffallend bedeckt hielten.
Einzig und allein Mitteschön stand zum originalen
Kirchenschiff und hatte dafür auch schon genaue Vorstellung zur Nutzung
eingereicht.
Das man bei dieser Mischung den Kürzeren zieht war klar.
Man sollte sich mal fragen, warum man nicht andere
Gruppierungen eingeladen hatte, die auch ganz nah am Thema dran sind. Zum
Beispiel die Vereine zum Stadtkanal. Die hätten nämlich, bliebe das
Rechenzentrum stehen, was ja ausgemachtes Ziel der gegnerischen Parteien war,
enorme Schwierigkeiten irgendwann das Kanalbett da wieder lang zuführen. Warum
wurde nicht die BI Plantage, die sich mit dem unmittelbaren Umfeld befasst
eingeladen Wo blieb das Bündnis Potsdamer Mitte? Wo blieb die Nagelkreuz Gemeinde mit ihren
130 Mitgliedern? Sie alle wurden nicht eingeladen!
Nein, dafür durften die NÄCHSTEN ihr Statement abgeben, eine
Gemeinde, die nicht mal 10 Mitglieder zählt.
Es wurde schwerpunktartig über geschichtliche Verstrickungen geredet und die Garnisonkirche als “gotteslästerliche Bude“ bezeichnet. Kein einziges Wort über den neuen geplanten Inhalt, Schönheit oder gar Stadtgestaltung!
Alles in allem war es für mich kein Fundament für eine reelle Einschätzung der Gemengelage zu diesem Thema in Potsdam. Ich fand es gespenstisch und grotesk!
Horst Prietz Erster Vorsitzender des Kulturausschusses der Potsdamer SVV nach der Wiedervereinigung
Foto: MAZ Horst Prietz
Als „La Fenice“ 1996 abbrannte, waren sich alle einig und einer
verkündete es am nächsten Tag: “Sie wird, wie sie war, wiederaufgebaut“. Damit
wurde jahrelangem Debattieren wie hier in Potsdam um das Wie, Wann, Wieso
überhaupt und wenn schon, dann zeitgenössisch – also modernistisch verbrämt und
verfälscht – kein Nährboden gegeben.
Die Venezianer und die Kulturwelt hatten sich verstanden, das
berühmte Opernhaus sollte, wie es war, wieder aufgebaut werden und so entstand
es wie Phönix aus der Asche.
Aber welche Peinlichkeiten erleben wir in Potsdam, wenn es um die
Garnisonkirche geht – hier wird immer wieder von neuem palavert und das
mitunter bis hinein in die kontraproduktiven Niederungen. Dabei ist zu
erkennen, dass die Gegner einfach nicht fähig sind den nationalistischen
Ballast von dieser architektonisch wunderschönen Kirche abzuwerfen und Potsdams
Genesung als geschichtliches Ganzes frohgemut entgegen zu sehen. Und denen, die
da sagen das Rechenzentrum sei ihnen lieber sei ins Buch geschrieben was der
Ministerpräsident Dietmar Woidke in seiner Trauerrede zu Manfred Stolpe sagte:
“Die Denkmale sind die Zeugen unserer Landesgeschichte”. Solche Worte künden
von Verantwortung auch für unser Potsdam. Und die Willenserklärung der
Stadtverordneten zum Wiederaufbau war genau von diesem Geist getragen.
Übrigens: beim Stadtschloss war die Diskussion nicht viel anders
und heute spazieren die ehemaligen Gegner mit ihrem Besuch hierher, um es ihm
zu zeigen, auch das Barberini, weil sie wissen, dass Potsdam nicht von der
belanglosen Architektur der Bauten der Neuzeit partizipiert, sondern wie
anderswo auf der Welt auch von denen der Geschichte, also unserem Erbe.
Und das sei denen aus der Subkultur ebenfalls verdeutlicht: es
geht ihnen in Potsdam nur gut, weil es Potsdam gut geht und es geht Potsdam nur
gut, weil es eben von seiner kulturellen und architektonischen Pracht
partizipiert und Menschen von nah und fern anzieht, selbst Wissenschafts- und
Wirtschaftsunternehmen/Institute siedelten sich in jüngere Zeit an, weil sie Potsdam
aus diesem Grund präferieren – so kommt Geld in die Stadt, das eben auch den
vielen Künstlern als Zuwendung zur Verfügung gestellt werden kann – ohne die
Ausstrahlung Potsdams wäre es “dünner”!
Und keiner will über diesen für Potsdam peinlichen Streit
begreifen, wie sehr das worüber in letzter Zeit und eigentlich immer wieder
hemmungslos und selbstdarstellerisch palavert wird, Teil unseres Kulturerbes
ist, welcher Anspruch auf eine unverfälschte Darstellung hat. Niemand erwartet,
dass sich jeder vor unserer Geschichte verneigt, zumal viele von uns diese auch
zum großen Teil leidvoll erfahren haben, aber für unser schönes Potsdam sollte
man fähig sein Größe zu zeigen, Größe die für kulturellen Leistungen, die einer
Kulturstadt würdig sind.
Oh, ihr Venezianer, ihr habt La Fenice in acht Jahren wieder
aufgebaut – hier dagegen palaverte man schon vor euch und jetzt noch immer.
Auch ihr Dresdner habt eure Frauenkirche mit Vernunft und Fleiß
wiederaufgebaut.
Kann denn niemand in Potsdam über seinen Schatten springen und für
diese im Krieg so verwundete Stadt ein aus der Vernunft geborenes Zeichen des
Aufeinander Zugehens setzen, damit unser aller Kulturerbe, welches Teil des
europäischen Kulturgutes ist, seine weitere Genesung erfährt.
Als ich den Wiederaufbau der Garnisonkirche, des Stadtschlosses –
also des historisch sensiblen Altstadtbereiches – thematisierte und
fraktionsübergreifend die Willenserklärung zum Wiederaufbau 1991 demokratisch
beschlossen wurde, sprach niemand von einer halben Kirche, also es wurde nichts
von Änderungen am Baukörper, auch nicht an der Turmspitze zum Bestandteil der
Bekundung, weil klar war, dass ein Kulturerbe auch nicht in Teilen verändert
werden darf. Dabei handelten wir in historischer Verantwortung in der Gegenwart
für die Zukunft dieser Stadt.
Ach mein Potsdam, schon die aufs Papier gebrachten sieben Buchstaben unseres Stadtnamens lösen etwas aus, Euphorie und Beklemmung. So als würde ich nach langer Reise heimkehren, voll von Neugier, Heimweh und unheilvoller Vorahnung, während ich das Ortseingangsschild passiere.
43 Jahre lebe ich nun hier, geboren in Babelsberg, aufgewachsen in Potsdam West. Die etwa einjährige Unterbrechung, mit Wohnsitz in Berlin, kehre ich mal unter den Teppich – weil ich sie, mehrheitlich in der Bahn oder im Auto sitzend, auf dem Weg nach Potsdam verbracht habe.
Wenn ich mit Freunden die Welt erkundete, die außerhalb dieser Stadt lag, verbrachten wir dort, in der Fremde, ganze Stunden in der geteilten Erinnerung an den Geruch der Havel, an Parkspaziergänge und an wilde Nächte, befeuert von der Musik unserer Subkultur. Was für eine Stadt! Sie durfte sogar ein bisschen „piefg“ sein. Unaufgeregt, weder Architektur noch Egos kratzten an den Wolken, keine von diesen gestressten Metropolen.
Erstaunlich, wie viele meiner engsten Freundinnen und Freunde tatsächlich hiergeblieben sind oder wieder hierher zurückkehrten. Wir suchten und wir brauchten uns und darüber hinaus etwas, das sich nur hier auf dem Kopfsteinpflaster, in den Hinterhöfen, Kneipen, Gewässern, in der Sprache, im Zusammenwirken der Menschen finden ließ.
Nun leben wir in einer boomenden „City“! Wandel und Veränderung gehören zum Leben, auch zum städtischen. Aber es lebt sich weitaus besser, wenn sich das Gefühl einstellt, dass wir den Wandel mitgestalten können. Das Gefühl ist mir persönlich abhandengekommen! Es weicht eher einer Existenzangst und der Frage: Wie soll ich mir das Leben in dieser, meiner Stadt finanzieren? Wann spuckt mich der besagte Wandel aus?
Der Abriss der Fachhochschule (FH) Am Alten Markt, die Rekonstruktion der dortigen „Guten Stube“ und die wahrscheinlicher werdende Fertigstellung des Garnisonkirchenturms, sind Teil eines sich immer stärker manifestierenden Potsdams – aus dem ich mich ausgestoßen fühle! Denn es blockiert in einer sich verdichtenden und enger werdenden Stadt andere Energien mit finanziell weniger gut aufgestellten Lebensentwürfen. Die geografische Nähe von Rechenzentrum (RZ) und erstarkendem Garnisonkirchenturm legen dafür Zeugnis ab! Wie zwei Tiere umlauern sich diese Gebilde – das eine ist ein vom Abriss bedrohtes halbes Haus – das andere, ein im Aufbau befindlicher halber Turm. Und während das eine auch dank seiner teils prominenten Fürsprecher immer mehr erstarkt und offensichtlich die Deutungshoheit über Niveau, das kulturelle Erbe und eine sogenannte historische Verantwortung anstrebt – verliert das andere an Vitalität und Raum! Was ist (eine) unsere Stadt? Eine Marke, die fast ausschließlich nach wirtschaftlichen und historisch-ästhetischen Maßstäben betrachtet wird, mit hochpreisigen Immobilien in einer hochpreisigen Kulisse?
Ist dieser Wandel nicht nur geduldet, sondern sogar gewünscht? Ist Kultur und Schönheit wieder ein Privileg, das sich eben nicht jeder leisten kann und soll? Haben schlussendlich doch die „Realos“ in der Politik und unseren Köpfen gewonnen, ist unsere soziale Fantasie soweit amputiert, dass sich das „Malen nach Zahlen“ in fast allen Lebensbereichen durchsetzt, auch in unserer Stadt?
Die Aktivisten für einen Erhalt der FH bzw. die FH-Befürworter werden gerne als Minderheit dargestellt – was für die Aktivisten wahrscheinlich traurigerweise auch zutrifft. Aber ich glaube nicht, dass es in Potsdam eine Minderheit ist, die das Wegradieren der letzten funktionalen innerstädtischen Ost-Moderne-Architektur zugunsten einer „schönen alten Welt“ skeptisch betrachtet! Die meisten haben nur schon resigniert und/oder sind zu gefangen im Hamsterrad aus Arbeit und Stress, um sich ihren Lebensstandard hier zu halten, als noch Engagement zu zeigen. Und doch passiert etwas in den Menschen! Im Zusammenspiel mit den nach 30 Jahren Mauerfall fast fertig sortierten Besitzverhältnissen, von denen viele Potsdamer wahrscheinlich eher weniger profitieren, kommt ein „Trotz“ auf! Längst sind die FH und das RZ auch zu Trutzburgen, zu Symbolen geworden gegen diese Entwicklung, die die leisen kritischen Stimmen seiner Eingeborenen nicht mehr hören kann. Eine gesunde Stadt ist ein Biotop, verdichtete Vielschichtigkeit. Das Flair einer Stadt machen neben der Fassade auch die mannigfaltigen Beziehungen und Netzwerke unterschiedlichster Akteure aus! Dafür braucht es Lücken, Nischen – bezahlbaren Wohnraum und kreative Begegnungsstätten. Das hält unter anderem die viel beschworene und wichtige Stadt und Zivilgesellschaft zusammen!
Meine Fantasie ist noch nicht in Gänze versiegt! Ich kann mir als friedensliebender Barde das Rechenzentrum auch immer noch ganz gut ohne Garnisonkirche vorstellen – und male hier deshalb mal mein persönliches Zukunftsszenario:
Meine Fantasie ist noch nicht in Gänze versiegt! Ich kann mir als
friedensliebender Barde das Rechenzentrum auch immer noch ganz gut ohne
Garnisonkirche vorstellen – und male hier deshalb mal mein persönliches
Zukunftsszenario:
Die
verschiedenen Befürworter des Wiederaufbaus der Garnisonkirche,
darunter Vertreter aus Politik, der Bürgerinitiative Mitteschön, sowie
einige prominente Potsdamer gestehen sich ihren Irrtum ein, und finden
sich zeitnah zu einer christlichen Zeit auf der Baustelle „Breite Straße
7“ ein, um in völliger Demut den begonnenen Turm Stein für Stein
wieder abzutragen. Ich bin mir sicher – hierbei gehen ihnen zahlreiche
Potsdamer hilfreich und unentgeltlich zur Hand, ebenfalls in stiller
Demut, weil sie den Baubeginn dieser „gotteslästerlichen Bude“(Christoph
Dieckmann) nicht verhindert haben! Die Hälfte des wiederverwertbaren
Baumaterials wird für den Bau eines Proberaumhauses in Potsdam
zurückgelegt und von der anderen Hälfte errichten wir dann an selbiger
Stelle gemeinsam einen wahren Friedenstempel, der allen Menschen und
Religionen offen steht und sich selbstredend in seiner Architektur viel
kleiner und bescheidener vor dem nun wieder frei atmenden Rechenzentrum
verneigt! Eine hiesige Steinmetz-Firma wird beauftragt, eine
lebensgroße Statue von John Lennon mit Gitarre davor zu platzieren. Und
um den regionalen Bezug nicht zu verlieren, sollte noch eine
Stein-Tafel mit den letzten Worten des Romans „Heeresbericht“ von dem in
Potsdam seinerzeit lebenden Schriftsteller Edlef Köppen prominent
platziert werden. Dessen Protagonist sagt, nachdem er, wie der Autor
selbst, die Hölle des Krieges erlebt hat, und nun in einer Nervenstation
sitzt, nur noch einen Satz: „Es ist ja immer noch Krieg – leckt mich am
Arsch!“
Der
AFD wird mit dieser Aktion zumindest im Städtischen Raum ebenfalls der
Boden entzogen – weil sich viele Menschen ihrer Stadt nicht mehr so
entfremdet fühlen und so erst gar nicht in die Versuchung kommen, den
falschen Propheten von „Über-Ich“ und Heimat hinterher zu rennen. Nach
der wenig pompösen aber feierlichen Einweihung des Tempels ziehen alle
ins RZ, wo wir bei einer Tasse Tee gemeinsam überlegen, wie und wo wir
mit genau derselben Energie in Potsdam weiter machen!
Klingt doch eigentlich ganz schön oder?! Herzlichst – ihr Christian Näthe
Ach lieber Christian Näthe, ich habe zwar eine andere
Meinung als Sie, aber so ungleich sind wir eigentlich gar nicht.
Beide sind wir Künstler und beide lieben wir unsere Stadt.
Das, was Sie als Verlust in Ihrem Beitrag fühlen, habe ich auch gefühlt, als
die eigentliche Mitte der Stadt Potsdam verschwand und mit belanglosen Bauten
überbaut wurde. Ich war damals neun Jahre alt und musste mit ansehen, wie die
Abrissbirnen die Ruine des Stadtschlosses zertrümmerten, obwohl es schon
Planungen zum Wiederaufbau gab.
Später lagen die Trümmerhaufen der Garnisonkirche neben
unserem Haus und die eigentliche Höhendominante fehlte schmerzlich im
Stadtbild. Meine Straße wurde abgerissen, inklusive
meines Elternhauses, Urbanität verschwand! Der Fleischer, der Drogist, der
Friseur, Frau Schubert mit ihrem Eisladen und die Gaststätte zum Glockenspiel
waren nicht mehr. Statt wunderschöner Häuser nur noch Beton – DDR-Zeit!
Autoverkehr beherrschte alles, die einstige Prachtstraße von Potsdam hatte sich
aufgelöst. Die City von Potsdam wurde die Brandenburger Straße. Viele
Nachgeborene, wie auch Sie, kennen es nicht anders und empfinden es als
Verlust, wenn jetzt DDR-Bauten verschwinden, die Ihre Jugend begleiteten.
Ich kann das alles sehr gut nachempfinden und Ihr Lied hat
mich schon gerührt. Eines sollte man aber dabei bedenken: Der Alte Markt und
die Garnisonkirche haben eine viel längere Geschichte als die momentan
umkämpften Bauten. Sie waren Wahrzeichen der Stadt und haben sich tief in das
gesellschaftliche Gedächtnis gegraben, Initialbauten, Zeichen unserer
Stadtgeschichte und darüber hinaus weltweit bekannt. In welchem Geschichtsbuch
steht das Rechenzentrum?
Ihre „Trutzburgen“, Fachhochschule und Rechenzentrum, sind
nun nicht unbedingt architektonische Glanzleistungen, die es zu bewahren gilt.
Dass damit alle DDR-Architektur aus unserer Innenstadt verschwindet, ist nun
wirklich übertrieben.
Ein ganzes Viertel gibt es davon unmittelbar hinter dem
Alten Rathaus. Die Bibliothek steht, leider nicht mehr ganz original, am Platz
der Einheit. Um den alten Verbinder am Potsdam Museum hat sich Mitteschön
bemüht und er ist halbwegs erhalten worden. Hinter dem Stadtschloss ragt das
Mercure hoch und dominant in den Himmel, dahinter wird das Minsk wiederbelebt
und in Sichtweite sieht man die DDR-Hochhäuser stehen, zu ihren Füßen die
Seerose, die das Havelufer säumt. Wenn man das ins Verhältnis setzt, ist sehr
viel von diesen wenigen 40 Jahren noch da und wird bleiben.
Aber, wie ich Ihrem Text entnehme, ist es wohl ein Gefühl
der Verdrängung, das Sie empfinden. Die Angst vor Vertreibung von
selbstverständlich altfrequentierten Räumen. Das empfinde ich als Jammern auf
hohem Niveau.
Ich bitte Sie, wo „spuckt Sie den der Wandel aus“, wie Sie
schreiben? Wird nicht alles getan, dass die Künstler in der Innenstadt bleiben
können? Warum freuen Sie sich nicht einfach auf das neue Kreativzentrum an der
Plantage? Vertreibung sieht anders aus. Ein ganzer Komplex für Künstler soll da
entstehen. Die Ausschreibung der Stadt ist wieder einmal in Ihrem Sinne so
gehalten, dass die Mieten moderat bleiben werden und die Bedingungen bei Weitem
besser sind als im maroden Rechenzentrum. Würde hier saniert, so wurde erst
letztens festgestellt, könnten Sie die Mieten sicherlich nicht mehr bezahlen.
Und bitte, verschließen Sie Ihre Augen nicht davor, dass es
viele Bürger gibt, die in der Stadtmitte leben und arbeiten und dabei sehr viel
höhere Mieten zahlen müssen. Die Stadt hat erarbeitete Steuergelder dieser
Bürger in das Rechenzentrum gesteckt, um den Künstlern die Möglichkeit der
Bleibe bis Ende 2023 zu ermöglichen.
Was die Kirche betrifft, viele Potsdamer freuen sich darauf
und folgen begeistert dem Aufbau, der nicht nur städtische, sondern auch
nationale Bedeutung besitzt. Die Diskussionen über den Wiederaufbau zeigen doch
jetzt schon, wie wichtig dieser Ort ist. Und schon jetzt wird in der
Nagelkreuzkapelle hochkarätige internationale Friedensarbeit geleistet!
Lassen Sie sich doch einfach mal auf ein Miteinander ein,
wie es schon einige Künstler des Rechenzentrums tun, die in der Kirche im
Frühjahr eine Ausstellung gestalten.
Lieber Christian Näthe, auch ich habe eine Vision:
Das neue Kreativzentrum wird an der Plantage ein Teil der
neuen Kulturmeile sein. Vielleicht sogar in Kooperation mit der Garnisonkirche.
Ja, vielleicht lässt sich der Fries des Rechenzentrums genau da aufstellen, wo
er heute steht und umfasst eine Fläche, die man mit Veranstaltungen füllen
könnte. Durch die Besucherströme wird auch den Künstlern eine Möglichkeit
erschlossen, ihre Kunst besser zu verkaufen. Vielleicht nutzt man da auch die
Freifläche auf der Plantage!
Es ist eine enorme und spannende Möglichkeit, die sich hier
für die Künstler der Stadt auftut und an der auch Sie teilhaben können. Zu
DDR-Zeiten haben wir von so etwas geträumt! Meine Band hat sich in Kellern und
alten Garagen zum Proben zusammengefunden. Ich kann sie nur auffordern, daran mitzuwirken.
Vertrauen Sie auf die Zukunft, so schlecht wird die nämlich nicht. Zeigen Sie
mir eine Stadt, die ihren Künstlern so etwas Großartiges in der Stadtmitte
bietet, ich wüsste keine.
Wir nehmen Abschied von Herbert Posmyk, der am 20.
Oktober 2019 im Alter von 90 Jahren gestorben ist.
Fotograf Herbert Posmyk
Er hatte ein Auge für die Schönheit, auch für die Schönheit
des Vergangenen, die er als Baumensch (wie er sich selbst bezeichnete) in der
teilweise zerstörten oder stark beschädigten Potsdamer Architektur und
Ruinenlandschaft sehen konnte.
Stadtschloss Kalender von 2013
Bescheiden und eher still kennen wir ihn, gleichzeitig auch
sehr mutig. 1953 fotografierte er die Ruinen in Potsdam, insbesondere das
Stadtschloss und die Potsdamer Mitte.
Dabei versuchte die Stasi, ihm den Fotoapparat zu
entreißen, was glücklicherweise nicht gelang.
Herbert Posmyk Einführung zum Stadtschlosskalender 2013
So gibt es ein bleibendes Werk von ihm: seltene,
künstlerisch sehr wertvolle Farbaufnahmen aus dieser Zeit, die dokumentieren,
wie Potsdam noch Jahre nach der Bombardierung am 14. April 1945 aussah.
Seine Bilder haben dazu beigetragen, das Verständnis für
Stadtgeschichte und Architektur zu wecken und den Stadtraum
atmosphärisch wahrzunehmen.
An einigen Orten in Potsdam ist seine Sehnsucht nach
Wiederaufbau in Erfüllung gegangen, was auch sein bleibendes Verdienst
ist.