Das große Grausen geht weiter: Drei neue Hotelblöcke

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In letzter Zeit häufen sich Neubauten in dieser Stadt, wo der Bürger zu Recht entsetzt ist. Und das in einer Stadt wie Potsdam! Beispiele gibt es genug, die neue Schwimmhalle,

 

die ILB

 

oder auch der schon im Rohbau sich befindliche Bau neben dem Barberini, der zur Wasserseite außerirdisch anmutet und die schöne bisherige Ansicht der Alten Fahrt zunichtemachen wird.

 

Jetzt kommt die nächste geballte Ladung auf uns zu: Drei große Hotelblöcke!!

Das Hotel an der Langen Brücke,

 

das Hotel über der Wagenhalle am Hauptbahnhof

 

und ein Hotel an der Hauptpost.

         

 

Vom den ersten beiden sah man schon Bilder in der Zeitung.

Und wieder war es  das Gleiche: Große einförmige Blöcke mit gesichtslosen, langweiligen Fassaden.
Nichts von einer Potsdam spezifischen Vielfalt in der Gestaltung, nichts von  geometrischen Formen, nichts von Plastizität der Fassaden.

Wer lässt so etwas zu? Klartext – die Stadtverwaltung! Keine Kritik von deren Seite. Im Gegenteil, Herr Götzmann als deren Vertreter, lobt auch noch diese Bauten.

Alle guten Erfahrungen mit der Gestaltung des Blocks III am Alten Markt, der unter Beteiligung der Bürger stattfand, sind vergessen. Hier wird intern ohne die Öffentlichkeit geplant und gebaut.

Welche Rolle spielte bei diesen neuen Brachialbauten der Gestaltungsrat? Hat er die gesehen?

Leider hat die Stadt ja festgelegt, dass man als Investor hier keinen Rat einholen muss. Dies geschieht nur auf freiwilliger Basis. Warum? So fragen wir. Die Grundstücke in Potsdam sind so begehrt, so dass man das ruhig einfordern kann. Es gab immerhin 222 Bewerber für 14 Gebäude im Quartier III am Alten Markt!

Auch hätte die von Mitteschön seit Langem eingeforderte Gestaltungssatzung solche nichtssagenden Bauten in Potsdams Mitte verhindert.

Darum sagen wir noch einmal:

  • Wir fordern einen offenen und transparenten Wettbewerb für unsere Innenstadt
    – unter Beteiligung der Bürger.
  • Wir fordern Öffentlichkeit vor Billigung der Investorenpläne.
  • Wir fordern einen öffentlich tagenden Gestaltungsrat, wo ein Investor die Pflicht hat, vorzusprechen und sich anschließend an ihm zu orientieren.
  • Wir fordern nach wie vor eine Gestaltungssatzung, die rechtsverbindlich für Alle ist.

Hier ist der neue Baubeigeordnete Herr Rubelt gefordert!

Herr Rubelt setzen sie Zeichen! Ein „Weiter so“ wie bisher darf es nicht geben!!

DARF ARCHITEKTUR SCHÖN SEIN ?

Ja, Architektur und Stadträume dürfen schön sein. Dies ist die Grundlage einer hohen Aufenthaltsqualität.

Kriterien sind:

Das Grundprinzip von jeglicher Form der Architektur ist STÜTZE und LAST

Stütze und Last sollten sich in der Fassade widerspiegeln. Allein durch diese Visualisierung entstehen in einer Fassade Gliederungselemente.

Gliederungselemente geben einer Fassade Vor- und Rücksprünge.

Vor- und Rücksprünge lassen bei wechselnden Lichteinfallswinkeln verschiedenste Schattenwürfe entstehen.

Licht- und Schattenwürfe geben in Zusammenhang mit den Gliederungselementen der Fassade im Sinne des Wortes ein GESICHT.

Das Gesicht einer Fassade nach oben genannten Merkmalen führt zu einer individuellen Ausprägung.

Individuelle Ausprägung verhilft dem menschlichen Grundbedürfnis nach Identifikation Rechnung zu tragen.

Gliederungselemente geben dem menschlichen Auge Halt im Sinne von „Erfassen einer Gesamtform über Details“.

Halt für das menschliche Auge ist nur durch „überschaubare Maße“ zu erreichen (Blickweite, Blickwinkel, Rufweite, optische und haptische Erfahrbarkeit der Oberflächen von Gehsteig, Straße, Wand /  Wechsel von Straßen- und Platzraum).

Grundvoraussetzung für überschaubare Maße sind Kleinteiligkeit der Grundstücke.

Kleinteiligkeit, urbane Verdichtung und Blockrandbebauung sind ein Teil der Prinzipien der Europäischen Stadt, manifestiert in der Charta von Leipzig 2007  www.bmub.bund.de , der hinsichtlich der Möglichkeiten urbaner Verdichtung das Bundesbaugesetz in seiner neuesten Version Rechnung trägt.

Hubertus Müller Dipl.- Ing. Architekt / Oberstudienrat Bildende Kunst a.D.

Ach schön!

Häufig ist die Reaktion auf die Information zu unserem Stiftungssitz „Wir sitzen in Potsdam“ der spontane Ausruf „Ach schön!“. Aber was ist schön an Potsdam? Das UNESCO-Welterbe der Schlösser und Gärten in der Potsdamer Seenlandschaft?

Die kleinstädtisch anmutende Innenstadt mit dem Holländischen Viertel? Schinkels Nikolaikirche oder das neue Hans Otto Theater von Gottfried Böhm? Der neue Landtag im rekonstruierten Stadtschloss oder das benachbarte Hotel Mercure? Der gepflegte Park auf der Freundschaftsinsel oder der Nachwende-Hauptbahnhof mit Shopping-Center von gmp?

Die Reaktion hat meist einen Anklang von Stoßseufzer und beinhaltet vieles: „Ach, schön und gut, in Potsdam ist die gebaute Welt noch in Ordnung. Nachvollziehbar, dass die Bundesstiftung Baukultur in diesem harmonischen Umfeld einer zweifelsfrei schönen (Altbau-)Architektur residiert.“

Werden mit schöner Architektur also zunächst Altbauten assoziiert und wenn ja, warum? Wir haben gerade eine bundesweite repräsentative Umfrage durchgeführt und erfahren, dass 36 Prozent der Bevölkerung Altbauten schöner finden als Neubauten. Nur sieben Prozent sehen es umgekehrt. Da wundert es nicht, dass 80 Prozent der Deutschen auch die Rekonstruktion historischer Gebäude befürworten.

Der am häufigsten genannte Architektenname ist Friedensreich Hundertwasser (elf Prozent), weit vor Karl Friedrich Schinkel (fünf Prozent) oder Zaha Hadid (ein Prozent). Kein Wunder also, dass die Ansage in der Bahn jedes Mal auf den Halt im (schönen) Hundertwasser-Bahnhof in Uelzen hinweist, einer sicherlich fotogenen, aber funktional monströs verbauten Kiste. Auch beim neuen Holzmarktquartier in Berlin hat sich die Bauherrenschaft Hundertwasser zum Vorbild genommen und die Gebäude nach dem robusten und klugen Grundgerüst der Architekten von „Hütten und Paläste“ selbst opulent gestylt und trashig dekoriert. Der Publikumsgeschmack und die Resonanz junger Menschen zeigen mit dem Daumen nach oben.

Wege zum Ornament: Im Berliner Holzmarktquartier wird die Architektur künstlerisch dekoriert,…

Das Ornament hat bereits seit der Postmoderne wieder Konjunktur. Das Institut du Monde Arabe, das Jean Nouvel vor zwanzig Jahren in Paris gebaut hat, ist mit seiner orientalischen Ornamentik des fotolinsenmechanischen Sonnenschutzes für mich so etwas wie ein Meilenstein eines neuen, zeitlosen Dekors, das auch sinnlich wirkt. Es zitiert, gliedert und rhythmisiert Fassaden, macht sie apart, vielleicht schön.

… am Pariser Institut du Monde Arabe wird die Funktion zum Dekor.

Dennoch entsteht echte Schönheit in der Architektur nicht durch dekorative Maßnahmen, sondern durch innere Werte der Funktion, der Formfindung und des Gebrauchs sowie durch die Fähigkeit, uns emotional zu berühren. Erst wenn dieser gemeinsame Nenner der unmittelbar auf uns wirkenden Schönheit zum Tragen kommt, entsteht eine Wirkung, der sich niemand entziehen kann. Aus dieser Schönheit resultiert die dauerhafte Dimension von Architektur. Dabei geht es nicht darum, sich dem Wandel zu widersetzen und ohne Kontext zu entwerfen, sondern um eine Haltung, die den menschlichen Maßstab berücksichtigt, räumlich und sinnlich.

Als das Rendering der Elbphilharmonie zum ersten Mal veröffentlicht wurde, entstand so etwas wie ein kollektives „Wow-Gefühl“, ein Berührtsein und Unbedingt-haben-Wollen über alle Bildungsschichten hinweg. 80 Prozent der Hamburger wollten genau dieses Gebäude. Dass es nicht der Funktion folgt und später zu einer gigantischen konstruktiven und finanziellen Herausforderung wurde, wissen wir heute. Die Hamburger Architektenschaft hat in diesem Einzelfall auf die Durchführung eines Wettbewerbs verzichtet und der Beauftragung von Herzog & de Meuron zugestimmt, sicher auch, um dem atemberaubend schönen Entwurf zur Geltung zu verhelfen.

Architektur und Städtebau haben sich meiner Meinung nach zu lange mit einer kulturkritischen Schönheitsdebatte befasst und im Ergebnis „Geschmacksverirrungen“ der Bauherren beklagt. Anfang der Achtzigerjahre hat der Pädagoge und Journalist Claus Borgeest sogar eine schichtenspezifische Unterscheidung vorgenommen. Dabei ist unerheblich, ob als Klischees das Unechte, Billige oder Glitzernde unterer Sozialschichten oder das Protzige, Teure, Monströse oberer Mittelschichten zum Geschmacksmaßstab werden. Beides ist unangemessen und wirkt vermutlich auf die Betroffenen selbst wenig überzeugend. Anders kann man sich ja ein Immer-mehr-Davon nicht erklären. Borgeest hat daraus den Schluss gezogen, dass Geschmack und ästhetische Urteilskraft nicht reichen: „Das Schöne ist nur schön, wenn es von der Eigenart der Menschen beseelt wird.“ Bei diesem Zusammenspiel von gebautem Raum und Sozialraum sind wir ganz nah bei derjenigen gelungenen Baukultur, die wir als Stiftung voranbringen wollen.

Das geht aber, selbst von der Warte eines ausgebildeten Gestalters aus gesehen, nicht über Geschmacksschulungen. Sinnvoll ist eine Information über Proportionen – im Sinne von Loos auch über jene der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen –, über Harmoniegesetze, Formgebung, Materialien, Dauerhaftigkeit, Nachhaltigkeit und Baukultur. Eine Wissensvermittlung, die zu sehen hilft. Hier treffen sich die Verfechter des schönen Bauens und der Stadtbaukunst mit denen der Baukulturvermittlung. Wenn es uns dabei gelingt, dem Kriterium der emotionalen Berührtheit („Ach schön!“), ähnlich wie bei der Musik oder der bildenden Kunst, zu größerer Wirksamkeit zu verhelfen, sind wir einen großen Schritt weiter – bei der Wahrnehmung und beim Bedeutungszuwachs guter Architektur.

Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, Potsdam

Hört das denn nie auf? – Mitteschön zu den Entwürfen für die Speicherstadt

Wozu, so fragt man sich, sind Wettbewerbe gut, wenn letztendlich so etwas dabei rauskommt?

Die Entwürfe für die nördliche Speicherstadt stehen und wurden entgegen der ursprünglicher Absicht an einen Investor vergeben. Der Projektentwickler asenticon und Investor Reggeborgh haben in Abstimmung mit der ProPotsdam als Grundstücksverkäuferin sowie der Landeshauptstadt Potsdam  fünf Büros: ● Giorgio Gullotta Architekten, Hamburg ● Hascher Jehle Architektur, Berlin ● Hilmer Sattler Architekten Ahlers Albrecht, Berlin und München ● Müller Reimann Architekten, Berlin ● Wolff Architekten Berlin mit einem nichtöffentlichen Gutachterverfahren beauftragt.

 

 

Für die sieben Baufelder haben 5 Architekturbüros Entwürfe erstellt, womit eine vielfältige Gestaltung des neuen Viertels abgesichert werden sollte. Für das repräsentativ an der Ecke Leipziger Straße/Lange Brücke geplante Hotelgebäude wurde sogar die Durchführung eines Fassadenwettbewerbs vereinbart. Dadurch wollte man der besonderen Lage dieses Grundstücks gerecht werden.

Ein Entscheidungsgremium hat unter der Leitung der Architektin Prof. Hilde León, Professorin am Institut für Entwerfen und Gebäudelehre der Gottfried Wilhelm-Leibniz-Universität Hannover und Mitglied der Akademie der Künste Berlin, die Ideen beurteilt. Darüber hinaus war das Gremium mit Vertretern der Stadt Potsdam, der Pro Potsdam und der Projektentwickler besetzt und wurde von Experten fachlich begleitet. Inklusive der Mitglieder des SVV-Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr wurde in der abschließenden Entscheidungsrunde das Architektenbüro Wolff aus Berlin als Sieger für das Hotel ausgewählt. Man jubelte, dass die neue Hotel Fassade gegenüber dem Bahnhof „…einen tollen neuen Akzent an diesem städtebauliche wichtigen Punkt   in der Stadt setzt“

Städtebaulicher wichtiger Punkt? Ja! Toller Akzent ? Nein!

Mitteschön ist nicht begeistert, Mitteschön ist entsetzt! Solch großer kostenintensiver Einsatz und solch dürftiges, nein schlechtes Ergebnis!

Der Entwurf für das Hotel ist belanglos, beliebig und so gar nicht Potsdam würdig. Man wird so in Zukunft aus dem Bahnhof treten und der Blick fällt auf zwei uninteressante durch eintönige Gestaltung auffallende Gebäude. Einmal auf das gruselige Bad und daneben dann nicht minder einfallslos das Hotel, das da entstehen soll.

Ja, das muss man den Architektenbüro Wolff aus Berlin  lassen: Ihr Entwurf passt gut zum Badneubau, bei dem man sich schon fragte, wie kann man solche Architektur als Entre für die Stadt zulassen? Damit wird das Bahnhofsumfeld nun endgültig zum no go Area!

Auch die angepriesene Piazza ist nicht einladend, da der Blick auf die bekannten endlosen Rasterfenster fällt. Keine Fassadengestaltung, die Kleinteiligkeit erzeugt – keine Plastizität und abwechselnde Rhythmen, die einen öffentlichen Raum abwechslungsreich machen -, vorrangige Diktatur des rechten Winkels. Das erzeugt keine Aufenthaltsqualität!

 

Schon beim Bad kam von Mitteschön starke Kritik. Es wurde gebaut und die Potsdamer merkten erst hinterher was für einen Klotz man uns da an den Fuß des Brauhausberges gesetzt hatte.

Wir kennen keinen, der im Nachhinein diese Betonmasse als schön empfindet.

Bei dem langen und intensiven Diskurs, der in dieser Stadt über qualitätsvolles Bauen stattfand, ein Diskurs, der von den Professoren der Fachhochschule, von Mitteschön und anderen öffentlichen Gremien geführt wurde, scheint es , dass davon hier nichts zur Kenntnis genommen worden ist.

Man baut, wie immer eine Moderne, die nicht mehr modern ist!

Wie laut muss man denn noch rufen, damit man aufwacht? Stadtverordnete tut was!