POTSDAMER ARCHITEKTUR ODER BAHNHOFSCENTER-BAU-KUNST ?

Nach blu und dem ILB-Gebäude droht nächste Architekturdesaster in Potsdam:

Der Neubau an der historischen Wagenhalle am Potsdamer Hauptbahnhof.

 

Die alte Wagenhalle ist ein übrig gebliebenes Relikt einer einst größeren historischen Anlage. Als Industrieanlage wurde zur Erbauungszeit viel Wert auf qualitätsvolle Ausführung und originelle Ausstrahlung gelegt. Ein Anspruch, der heutzutage eher schwerfällt.

Ursprünglich mit der Absicht im Zuge der Errichtung des Bahnhofcenters, alles Alte, wie auch den Wasserturm komplett und rücksichtslos abzureißen, wurde dann aber unterbrochen und die beiden übrig gebliebenen Objekte im Sinne der Denkmalpflege erhalten. Die Chance einer interessanten größeren Nutzung wurde hier bereits vertan. Den Unwillen der damaligen Bahnhofsarchitekten spürt man aber immer noch sehr deutlich daran, dass der Wasserturm als Relikt völlig unangepasst und unsensibel eingekeilt vor dem Neubaublock steht.

Bei der Wagenhalle besteht aktuell nun wieder die Gefahr, dass nun dieses Objekt mit den „älteren Rechten“ ein beziehungsloser Fremdkörper bleibt. Die Halle selbst, mit ihrer sehr schönen warmen Farbigkeit und Plastizität durch die gelben Klinker, besteht aus flachen zwei Baukörpern, die sich zueinander in etwa im klassischen Proportions-Verhältnis 1/2/3 verhalten. Stilistisch findet sich aber durch die Bögen und die erhöhten Pfeiler ein interessanter senkrechter Rhythmus, den es als Gestaltungsidee auch wieder zu beachten gilt, soll das Ganze mit einer neuen Zusatzbebauung ein harmonisches Ensemble werden.

Der geplante Neubau dahinter schließt in seiner Größe / Höhe / Breite die Konstellation zum dahinterliegenden Bahnfeld ab, was der gesamten Platzsituation sicherlich ganz guttut. Somit ist in der Proportionalität zunächst nichts einzuwenden. Zudem entspricht die Winkellage auch dem umgekehrten Verhältnis 1 zu 3 im Verhältnis zur flach davorliegenden Halle. Die beiden Gebäude hätten also alle Chance, sinnvoll zu EINEM Ensemble mit gemeinsamer Nutzung zusammen zu fließen.

Das PROBLEM liegt nach unserer Ansicht im so wichtigen und immer unterschätzten Detail und das betrifft zuerst die öde Monotonie der Endlos-Fenstereihung (eine Anmutung wie am Plattenbau in der Berliner Normannenstraße…), andererseits die zum wiederholten Male von uns immer kritisierten, weil derzeit bis zum Überdruss praktizierte modische Masche der nervös „flimmernden Fassade“ wie beim blu und beim ILB-Gebäude. Entweder die Fensteröffnungen  selbst, oder wie hier die Zwischenfelder, bzw. die Giebelseiten sind durch ständig nervös wechselnde Flächen gekennzeichnet.

Das Bahnhofscenter selbst besitzt an vielen Stellen Zeugnisse diese gestalterische Unsitte, das links neben der Halle liegende Seniorenheim hat ebensolche versetzten Fenster, das Wohnviertel dahinter sowieso und so auch das Ministerium direkt gegenüber an der Straße. Zusammen mit dem fließenden Verkehr an dieser Stelle ist der gesamte Stadtraum an dieser Stelle einzig am Flimmern! Und wieder einmal haben wir dennoch eine langweilige Fassade, die stereotypen Bürobauten ähneln.

Wozu soll das gut sein? Im Entwurf des neuen Gebäudes, welches man in seiner Gesamtproportion städtebaulich an dieser Stelle durchaus akzeptieren mag, ist gut zu erkennen, dass die Fenster zwar senkrecht und damit ruhig in der Fassade liegen, die Zwischenräume jedoch sind wieder, wie derzeit nicht anders zu erwarten, im penetranten „Flimmerkistenstil“ gehalten. sind. Dazu kommt die obligatorische „Weisheit“ der sterilen Farbgebung und schon kann von einem Ensemble mit der alten Wagenhalle zu nicht mehr die Rede sein. Es bildet sich wieder der ideologisch „gewollte Kontrast / der Bruch“ zum historischen Gebäude, der Stadtraum hier kann so nicht geschlossen wirken. Es wird deutlich, dass die isolierte Betrachtung ohne Beziehung zum Ganzen zu Nichts führt. Das Problem, bzw. die Chance einer intelligenten, gar originellen baulichen Gestaltung wird nicht erkannt, geschweige denn gelöst.

Weshalb kann die Fassade nicht abwechslungsreich, auch in moderner Formsprache, mit der Wagenhalle korrespondieren? Das Thema der senkrechten Pfeiler in einem sinnvollen Rhythmus aufnehmend, eine warme Farbigkeit bzw. Materialität nach offensichtlichem Vorbild würde viel an Charakter und Ausstrahlung bewirken, damit die Gesamtsituation städtebaulich beruhigen und den Aufenthalt der Menschen hier „sichtlich“ verbessern.

Wieder einmal droht das einzigartige Stadtbild von Potsdam durch eine X-beliebige, langweilige Fassade am Eingang unserer schönen Stadt beschädigt zu werden. Eine Architektur, die man dutzendweise in anderen Städten wiederfindet. Der einzigartige Charakter Potsdams wird zu Gunsten beliebiger Investoren-Architektur vorsätzlich gestört. Soll „Billig“ tatsächlich die Visitenkarte Potsdams sein? Das erträgliche Maß ist langsam voll. Mehr Bemühen und sensibles Einfühlungsvermögen, auch in zeitgenössischer Architektursprache, wäre die ehrliche Verpflichtung zur „Potsdamer Baukultur“!

Das Argument: „Es wäre aber der „Beste der eingereichten Entwürfe“, zeigt die ganze Armseligkeit dieser bisherigen lieblosen Herangehensweise.

Der Bauherr die Berliner Newstone Immobilien GmbHHerr Jens David Kirsch,  der Architekten Tschoban Voss und nicht zuletzt die kommunale Baugenehmigungsbehörde sind gefragt hier nachzubessern. Noch ist es nicht zu spät!

http://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam/Tschuess-Sex-Kino-hallo-Hotel

Potsdam – eine Stadt zum Verlieben!

Was macht die Schönheit dieser Stadt aus? Was sind die wichtigen potsdamspezifischen Gestaltungsregeln die beim Wiederaufbau der Potsdamer Mitte auch für die Gebäude in zeitgenössischer Architektur gelten sollten?
Dieser Film ist eine klare Botschaft an die Verantwortlichen bei der Stadt, der Pro Potsdam und schließlich der Auswahlkommission, die über die Vergabe der Grundstücke der ehemaligen Fachhochschule am Alten Markt an die künftigen Bauherren entscheidet.
Die Neubebauung der Quartiere III und IV, die auf dem historischen Stadtgrundriss entstehen sollen, sollten sich in ihrem architektonischen Anspruch am „Gesamtkunstwerk Potsdam“ messen lassen können, einer Stadt, die „komponiert“ und deren Architektur dank der Genialität seiner Baumeister „wie Musik“ ist. Es geht um Kleinteiligkeit, um die Wahrung gewachsener Proportionen, um Abwechslungsreichtum und Vielseitigkeit – und nicht zuletzt um Rücksichtnahme auf die historischen und jüngst wieder errichteten historischen Gebäude der Stadt, die als Leitbauten die Vielzahl der modernen Gebäude in der historischen Stadtstruktur anleiten sollen.
Potsdam Innenstadt ist nicht zufällig entstanden. Sieben preußische Könige haben die Stadt mit ihren besten Architekten nach festen Grundsätzen komponiert. Ein Hohenzoller baute auf dem Werk des anderen auf. Die Entwurfprinzipien zeigt dieser Film.
Lernen sie die Gestaltungsregel für die Gebäude und die Stadträume kennen, die Potsdam so einzigartig machen.

10 Jahre Mitteschön

10 Jahre Mitteschön.
Eine Erfolgsgeschichte bürgerlichen Engagements für die Wiedergewinnung der historischen Mitte Potsdams.
Vom Fortunaportal über den Wiederaufbau des Stadtschlosses, Haveluferbebauung mit Museum Barberini, Palazzi Chiericati und Pompei bis zum Alten Markt und weiter in den Quartieren  III, IV und V.

Staudenhof und Leitbautenkonzept

Die Wiedergewinnung der Mitte ist unvereinbar mit dem Erhalt des Staudenhofs

POSITION Quo vadis Potsdamer Mitte ? Von Christian Seidel

Natürlich – nichts ist für die Ewigkeit, auch nicht Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung Potsdam. Aber es ist doch verwunderlich, wenn das vor 15 Monaten mit qualifizierter Zweidrittel-Mehrheit beschlossene Instrument zur Wiedergewinnung der Mitte in einer Ad-hoc-Entscheidung zur Disposition gestellt wird. Nach intensiver Diskussion, Workshops und Befassung in mehreren Fachausschüssen wurde am 1. September 2010 das Leitbautenkonzept verabschiedet. Dort wird festgestellt: „Die historischen Platz- und Straßenräume der Potsdamer Mitte … bilden durch geometrische Bezüge und verbindende Gemeinsamkeiten … eine harmonische städtebauliche Komposition, ein Werk der Stadtbaukunst von europäischer Bedeutung. Dieses Kunstwerk soll möglichst weitgehend wiederhergestellt werden.“ „Grundlage für den Wiederaufbau ist der historische Stadtgrundriss und die Maßstäblichkeit im Aufriss, die durch Parzellierung und Höhenentwicklung sicherzustellen ist.“ Das ist ein weit gefasster Rahmen, der vieles zulässt, aber eben nicht alles!

Spätestens mit dem Beschluss der SVV vom 3. Mai 2006 zu den Ergebnissen der damaligen internationalen Planungswerkstatt – an Hand unterschiedlicher Entwürfe wurde auch Pro und Contra des Staudenhofs ausführlich diskutiert – stand fest, dass das formulierte Ziel unvereinbar mit der Erhaltung des dortigen Wohnblocks ist. Das Gebäude ordnet sich weder in seiner Lage in den historischen Stadtgrundriss ein noch nimmt es in seinen Dimensionen einen Bezug zur Maßstäblichkeit im Aufriss. Darüber hinaus ignoriert es den Umgebungsschutz des Denkmals Nikolaikirche. Deshalb ist der zukünftige Abriss Bestandteil des Leitbautenkonzepts.

Auf welche städtebauliche Idee geht der Block am Staudenhof zurück? In einer 1969 im Aufbau Verlag erschienenen Reisebeschreibung berichtet Joachim Seyppel im Kapitel „Das neue Potsdam“ von den Eindrücken im Büro des Stadtarchitekten: „Der Architekt … zeigt auf eine Planskizze an der Wand. ’Wir bauen eine neue Stadt mit einem neuen Zentrum. … Das neue Potsdam wird man nicht nur kaum mit dem alten vergleichen können, es wird auch ein alter Potsdamer darin so fremd sein, trotz Sanssouci, trotz Rathaus, trotz Langer Brücke, wie wir im Urwald.’ ’Ein wenig’, sage ich, ’gruselt mir bei dieser Vorstellung.’“ Das Gruseln hatte sich Ende der 1980er Jahre in Potsdam so verbreitet, dass es ein Antrieb zum Protest wurde. Die neugewählte Stadtverordnetenversammlung bekannte sich deshalb frühzeitig zur grundsätzlichen Stadtreparatur und beschloss 1990die „behutsame Wiederannäherung an das charakteristische historisch gewachsene Stadtbild“.

Begründung SVV Beschluss 1990
Der historische Stadtkern Potsdams war in seinen Strukturen, der Maßstäblichkeit, seiner Stadtsilhouette und seiner einmaligen hochwertigen landschaftlichen Prägung bedeutend in Europa.
Er wurde im 2. Weltkrieg und durch die Entwicklung in der Folgezeit nachhaltig zerstört.

Dies wurde seither konsequent verfolgt – mit schwierigem Abwägen, bisweilen für den einen zu zögerlich und für den anderen zu weitgehend, aber doch zeigte der Kompass immer in die richtige Richtung.

Mit einer Garantie für den Staudenhof würde diese Ausrichtung verlorengehen. Das Potsdamer Wohnungsproblem wäre zwar nicht substantiell verändert (wie viel sind 180 Wohnungen zu jährlich erforderlichen 1 000 Wohnungen?), aber die Umsetzung des Leitbautenkonzepts könnte ad acta gelegt werden. Welche Bauherren sollten vis-à-vis des siebengeschossigen, monolithischen Blocks kleinteilig parzellierte Stadthäuser mit maximal vier Geschossen und Dach, gegebenenfalls auch mit historischer Leitfassade bauen und welches Ensemble sollte hier entstehen? Die Leitbauten wären einer Hauptfunktion beraubt, den Maßstab für neue Bebauung zu setzen! Deshalb kann ich nur hoffen, dass die gegenwärtige Irritation schnellstmöglich ausgeräumt wird und die Stadt Potsdam zu verbindlichen Aussagen über die Entwicklung ihrer Mitte zurückkehrt.

Christian Seidel war Stadtverordneter der SPD und viele Jahre Vorsitzender des Bauausschusses

 

Preiswertes Wohnen in der Potsdamer Mitte sichern

Beschluss 12/SVV/0386 zum Staudenhof aus 2012:

1. Der Oberbürgermeister wird als Gesellschaftervertreter beauftragt sicherzustellen, dass die Pro Potsdam GmbH die Wohnnutzung des Gebäudes Am Alten Markt 10 für die kalkulierte wirtschaftliche Restnutzungsdauer von ca. 10 Jahren garantiert. Darüber hinaus sind durch die Pro Potsdam GmbH Vorkehrungen zu treffen, dass das Gebäude Am Alten Markt 10 nach Ablauf dieser Restnutzungsdauer zurück gebaut werden kann.
2. Der Oberbürgermeister wird weiterhin beauftragt, eine Machbarkeitsstudie vorzulegen oder einen Architektenwettbewerb durchzuführen, wie im Rahmen des beschlossenen Leitbautenkonzepts preisgünstiger Wohnraum in der flächenmäßigen Größenordnung des Staudenhofs angeboten werden kann; durch die Pro Potsdam GmbH selbst oder im Rahmen eines Genossenschaftsmodells im Block V des Sanierungsgebietes Potsdamer Mitte.
3. Für die zum Ende der Restnutzungsdauer noch im Haus Am Alten Markt 10 wohnenden Mieter ist vorzugsweise am Standort Ersatzwohnraum zu schaffen. Die Miethöhe für die Ersatzwohnungen ist so zu kalkulieren, dass sie nicht höher ist als nach einer Bestandsmodernisierung des Wohnhauses Am Alten Markt 10.
4. Im Falle einer Weiterveräußerung des Grundstücks sind diese Auflagen an den Käufer verpflichtend weiterzugeben.
5. Der Beschluss 11/SVV/0915 wird aufgehoben.

“Preiswertes Wohnen in der Potsdamer Mitte sichern”
Ergebnisse der Untersuchung von Mitteschön zur Mietsituation im Staudenhof und der Vereinbarkeit mit den Vorgaben aus dem Leitbautenkonzept. Präsentation Mitteschön Staudenhof