von Barbara Kuster
Es war einstmals ein großer Teich, der lag inmitten eines schönen Gartens. Ihm gegenüber, ein Schloss, filigran und von Sandsteinfiguren gekrönt. Die schauten aus Himmelhöhe auf den Teich und schienen sich an ihm zu erfreuen. Geschwungen breitete er sich zu ihren Füßen aus und sein Wasser glitzerte im Sonnenlicht und wenn der Mond am Himmel stand, leuchtete er geheimnisvoll. Es war ein ganz besonderer Teich. Denn am Grunde des Gewässers lag noch ein Schloss, ein Wasserschloss, geformt aus samten schimmernden Muscheln und Seeanemonen, die sich zu einem wunderschönen Gebilde formierten. Das Licht, welches von oben auf das Wasser fiel, brach sich im Perlmutt der Muscheln, so dass es hier schimmerte und glitzerte wie in einem Juwelierladen. Dicke fette Karpfen schwammen dort und buddelten sich in den Schlamm am tiefen Grunde. Sie bewachten das Wasserschloss, und waren daher oftmals dicht unter der Wasseroberfläche zu beobachten, deshalb nannten die Menschen dieses Gewässer den Karpfenteich.
In diesem Schloss, am Grunde des Karpfenteichs wohnte Neptun, der Wassergott! Sein Hofstaat war gewaltig. Hunderte von Nixen umgaben ihn. Sie ritten auf ihren kleinen Seepferdchen und bedienten Neptun, der auf einem großen Wasserbett in einem prunkvollen Thronsaal lag. Wenn er etwas wünschte, schlug er mit seinem riesigen Dreizack eine Wasserwelle, und schon huschte und wuselte es, um ihn herum, jeder versuchte es ihm ja Recht zu machen. Oft fuhr er mit seinem Gefolge durch die angrenzende Havel, denn die war mit dem Teich verbunden, so dass man ohne Probleme zu ihr gelangen konnte. Das waren immer die Tage, wenn die Fischer in ihren Kähnen sich wunderten, wenn ihre Netze, die sie ausgeworfen hatten, zerrissen oder ganz verschwunden waren. Man munkelte dann immer, Neptun mit seinem Gefolge hat wieder einen Ausflug in die Havel gemacht.
Oh, sie waren immer froh, wenn sie ihn in seinem Karpfenteich wussten. Dass er sich dort aufhielt merkten die Fischer daran, dass leise Wasserflöten des nachts am Karpfenteich zu hören waren, da wussten sie, Neptun macht wieder mal mit seinen Nixen eines seiner rauschenden Feste und so schläft er die nächsten Tage ganz bestimmt und ihre Arbeit wurde nicht zerstört. Ja Neptun stieg ungern aus dem Wasser. Wasser war nämlich sein liebstes Element. Hier war es immer feucht und sein Bart waberte so schön um sein Kinn, so dass es ihn kitzelte und er immer lachen musste.
Eines Tages aber, es war wohl an einem ersten Frühlingstag kam seine Lieblingsnixe Sirena ganz aufgeregt herangeschwommen. Sie wedelte und schlug mit ihrem silbernen Fischschwanz und rief schon von weitem: „Herr, lieber einziger Neptun…ich war da oben an der Wasseroberfläche und habe was Wundervolles gesehen. “Was hast du gesehen? „fragte Neptun und rekelte sich auf seiner Seetang Matratze. „Es ist so schön dort oben, ihr werdet es nicht glauben!“ flötete sie „Dort ist ein unglaublich schöner Garten und ein wunderbares Schloss! „Das glaube ich nicht, du willst mich wohl auf deinen Fischschwanz nehmen, bring mir Wein! Sirena schwamm eilig davon und brachte Neptun den Wein. „Herr, glaube mir, dort oben ist ein noch schöneres Schloss als deines!“ Neptun runzelte die Stirn, sollte es möglich sein, dass es etwas Schöneres als sein Muschelschloß gab? Er dachte einen Moment nach.
Sag den Tritonen Bescheid, sie sollen kommen! Sagte er plötzlich energisch. Sirena eilte in die Seepferdchen Ställe, denn da wohnten die Tritonen. Die hatten genau, wie die Nixen schuppige Fischschwänze, so dass sie sich sehr schnell im Wasser bewegen konnten. Sie waren kräftige Kerle, die zupacken konnten. Außerdem trugen sie riesige Hörner, um jeweils ihren Herrscher anzukündigen, so dass alle wussten, gleich wird Neptun erscheinen.
Die Tritonen versammelten sich eilig auf sein Geheiß im Thronsaal, um dem Auftrag des Herrschers zu folgen.
„Hört – sprach dieser – Da oben, über dem Wasser soll es sehenswerte Dinge geben. Ich will es mit eigenen Augen sehen. Spannt meine besten Rosse vor meine Prachtkutsche. Die Nixen sollen sich schön machen, denn sie werden mich begleiten. Ihr aber, ihr meine Tritonen werdet vorauseilen, um mich mit euren Hörnern anzukündigen. Ja, heute steigt Neptun aus seinem Teich und alle Welt soll staunen!“
Am nächsten Tag waren alle Vorbereitungen getroffen. Die Nixen hatten sich ihre Fischschuppen silbern lackiert, die Rosse waren eingespannt und ihre Haare waren in großen fließenden Wellen gelegt. Frisch beschlagen scharrten sie am Platze, um bald loszustürmen zu können. Die Tritonen hatten ihre Hörner ein letztes Mal gestimmt, so dass sie in sauberen Quinten die Ankunft Neptuns verkünden konnten. Alles war bereit, und so trat Neptun mit seinem Dreizack an seinen Prachtwagen und sprach: “Jetzt will ich sehen, ob die Welt dort oben wirklich so schön ist, wie Sirena es mir erzählt!“ Und damit gab er den Rossen das Signal aufzusteigen, in die Höhe, empor aus dem Teich.
Hu, die Wasser teilten sich und Neptun und sein Gefolge kam ans Licht. Hörnerschall ertönte und war weithin zu hören bis in die letzte Ecke der Stadt, in der dieser schöne Garten lag. Da war er – Neptun -die Sonne verfing sich in seinem goldenen Dreizack der sich jetzt hoch über dem Teich erhob. Neptun staunte! Wunderschöne alte Bäume umkränzten seinen Teich. Überall standen Blumen und ein schöner Park verströmte den Duft von Heu und Lavendel. Ja und dann sah er das Schloss, dass mit seinem Kupferdach genau ihm gegenüberstand und auf dessen Dach die Sandstein Figuren ihm zulächelten. Diese hatte übrigens im Auftrage des Königs ein berühmter Bildhauer geschaffen. Dieser stand an einem Fenster des Schlosses und beobachtete genau, wie Neptun die hochragenden Pyramideneichen bestaunte, die den Teich umgaben, wie er begeistert rief: „Ho, ho Sirena meine Liebe, es ist ja noch viel schöner, als du mir berichtet hattest! Einen schöneren Platz kann ich mir gar nicht mehr vorstellen! Die Nixen stimmten ihren lieblichen Gesang an während die Tritonen ihn mit leisen Harmonien unterlegten. Die dicken Karpfen erzeugten mit ihren Fisch Mündern Wasserblasen, die wie lebende Perlen um Neptuns Gefolge tanzten. Die Vögel in den Bäumen schauten verwundert auf das Treiben dort im Teich. Was für ein unglaublicher Anblick sich ihnen bot. Aber leider konnten Neptun und sein Gefolge nicht ewig bleiben, denn sie brauchten das Wasser, da sonst ihre Schwimmflossen und ihre Haut austrockneten. Sie waren halt für das Wasser geschaffen und nicht für die Luft.
Und so tauchten sie nach einer Weile schweren Herzens wieder unter die Wasseroberfläche. Das Wasser kräuselte noch ein wenig, dann lag es wieder still und sonnenbeschienen da.
Der Bildhauer aber hatte alles genau beobachtet. Begeistert lief er zum König und bat ihn, Neptun und sein Gefolge in Stein hauen zu dürfen. Ja er wollte ihn somit für immer mit seinen Rossen und seinem Gefolge auf dem Teich verewigen. So geschah es das nicht nur das Schloss, sondern auch der Karpfenteich mit Figuren bekrönt wurde, zur Freude des Königs und der Bürger. Seitdem zierte für lange Zeit eine eindrucksvolle Sandsteingruppe auf dem Teich, die an Neptun und sein Gefolge erinnerte, wie er einstmals aus dem Wasser stieg.
Es kamen dunkle Zeiten!
Ein Krieg zerstörte den Teich, den Garten und das Schloss. Die Menschen dachten jetzt nur daran ein Dach über dem Kopf zu haben und genügend Brot, um satt zu werden. Kein Mensch sprach mehr von Schönheit und Überlieferung. Ja sogar, das was noch übriggeblieben war von Neptun und seinen Rössern, zerschlug man und der Teich wurde zugeschüttet.
Doch es gab noch Menschen, die sich daran erinnerten und traurig waren, dass alles verschwunden war. Und es gab welche, die sagten „Kommt, lasst uns es wieder aufbauen“! Und tatsächlich, sie sammelten Geld. Beauftragten einen jungen Bildhauer und der machte sich ans Werk. Und so stehen heute schon wieder die Tritonen und blasen auf ihren Hörnern im wiedererstandenen Wasserbecken um Neptun anzukündigen. Sie blasen in Richtung Schloss, dessen Wiederaufbau sich die Bürger dieser Stadt erkämpft haben. Auch der Garten wurde wieder wunderschön und duftet mit seinen Bäumen und Blumen.
Und Neptun?
Er sitzt unten im Teich mit seinem Hofstaat und wartet. Die Nixe Sirena putzt ihm seinen Dreizack blank. Er lächelt wissend und in Vorfreude, denn die drei Zacken bedeuten für ihn, die Dreieinigkeit: Schloss – Park und Karpfenteich! Die vollkommende Schönheit. Wie freut er sich darauf, wieder aufzutauchen und besonders auch auf die vielen Kinder, die wieder im Winter über ihm Schlittschuh laufen werden.
Und wenn ihr es demnächst tut, und es grummelt unter euren Füßen, dann wisst ihr, das ist Neptun!