Andreas Kitschke im Hauptausschuss der SVV Potsdam am 5.1.2022
zum „Kompromissvorschlag“ um das Garnisonkirchenprojekt
Zu meiner Person: Ich bin Gründungsmitglied der Fördergesellschaft für den
Wiederaufbau der Garnisonkirche Potsdam e. V. und gehöre dem Vorstand (mehrfach
wiedergewählt) seit der Gründung 2005 an.
Heute ist in den PNN zu lesen: „Den Blick auf das Gemeinsame lenken“ – bitte gern.
Weiter lese ich es handele sich um den Beginn eines Dialogs. Warum dann die Eile?
Ich bin jedenfalls für einen offenen Dialog. Um einen solchen beginnen zu können,
müssen zuerst die Fakten auf den Tisch. Sie lauten:
1) Das Rechenzentrum hat eine Nutzfläche von 5.000 m², der Ersatzbau im Kunst- und
Kreativquarier bekommt 8.000 m² Nutzfläche und hat eine im Grundbuch eingetragene
Höchstmiete von 9,00 € pro m². Den Nutzern des Rechenzentrums steht dort also eine
wesentlich größere Fläche als jetzt zur Verfügung. Die Vermutung liegt nahe, dass man
etwas anderes mit dem Gebäude vorhat, das nach einer Sanierung nach heutigen
Bauvorschriften ohnehin völlig anders aussehen würde.
2) Das 1999 ausgewiesene Sanierungsgebiet „Potsdamer Mitte“ verfolgt laut Satzung im § 1 als Hauptziel die Beseitigung „städtebaulicher Missstände“. Alle folgenden SVVBeschlüsse verfolgten genau dieses Ziel. Im gültigen Bebauungsplan heißt es:
„[…] Das städtebauliche Konzept […] sieht eine städtebauliche Neuordnung orientiert am historischen Stadtgrundriss vor. Voraussetzung hierfür ist der Rückbau des Rechenzentrums sowie der Gebäude der alten Feuerwache.
Nördlich der Garnisonkirche soll die frühere Plantage als öffentliche Grünanlage in ihrer ursprünglichen Größe wieder hergestellt werden, […]. Auch für die Realisierung der Grünanlage ist der Abriss des Rechenzentrums erforderlich.“
Dies ist die Beschlusslage der SVV. Was am 7.12.2021 der Öffentlichkeit präsentiert wurde, nimmt auf diese Fakten keinen Bezug und geschah ohne Einbeziehung des Vorstands der FWG. Es widerspricht den Satzungen der Fördergesellschaft und der Stiftung Garnisonkirche, denn sie betreffen den Wiederaufbau der gesamten Kirche, nicht nur des Turmes!
Die Vorabstimmung ohne Beteiligung der Nutzer (FWG, Nagelkreuzgemeinde) schafft neue Fakten, die einen offenen Dialog erschweren. Mein Vertrauen ist erschüttert. Der Vorsitzende versicherte uns stets, auch für den ins Jahr 2023 verschobenen Abriss des Rechenzentrums gelte der alte Rechtsgrundsatz: „Verträge sind einzuhalten, Zusagen
müssen gelten“ – nachzulesen auf der Website der Fördergesellschaft. Auf dezidierte Nachfrage wurde in der Mitgliederversammlung am 16.10.2021 nochmals betont, dass das Kirchenschiff weiterhin nicht zur Disposition stünde, sondern einem zweiten Bauabschnitt vorbehalten sei.
Mit der angekündigten bedingungslosen Übertragung des Kirchenschiff-Teilgrundstücks auf die Landeshauptstadt gibt die Stiftung jeglichen Einfluss auf die Gestaltung des Areals aus der Hand. Für mich als Christ viel schlimmer:
Sie verpasst die Chance, an diesem politisch missbrauchten Ort, der auch für die Verführbarkeit und Fehlbarkeit von Menschen steht, ein Zeichen christlichen Glaubens zu setzen, der um diese menschlichen Eigenschaften weiß, von denen wir alle nicht frei sind!
Gerade heute braucht die auseinanderdriftende Gesellschaft einen Ort der Erinnerung an Positives und Negatives in der Geschichte, einen Ort der Hoffnung, der zu Redlichkeit im Umgang miteinander aufruft. Die zu erwartende Anziehungskraft des Bauwerks – gerade auch den aufgeputschten Streit – wird wesentlich mehr Platzbedarf generieren, als eine Kapelle von 100 Plätzen und eine Ausstellung von 180 m².
Ebenso wichtig der städtebauliche Aspekt. Das unmittelbare Nebeneinander von Rasterarchitektur und barockem Turm wäre eine Katastrophe für das Stadtbild. Es würde die hochwertige Architektur des Barockmeisters Philipp Gerlach zu einer Karikatur verkommen lassen! Die wichtige Grünzone der Plantage muss wieder entsiegelt werden und der erfrischende Stadtkanal dazukommen – gerade in Zeiten des Klimawandels! Das hat nichts mit Rückwärtsgewandtheit zu tun, sondern mit Vertragstreue und Redlichkeit!
Die bis weit in die Innenstadt hinein wahrzunehmenden architektonischen „Brüche“ haben offenbar den Blick für die Einmaligkeit des Potsdamer Stadtbildes völlig verstellt. Brüche statt Harmonie scheinen zeitgemäß zu sein. Wohin Brüche gesellschaftlicher Normen und Werte führen, erleben wir aktuell auf den Straßendemos im ganzen Land. Der Bruch demokratischer Entscheidungen der Stadtverordnetenversammlung liegt auf gleicher Linie. Lautstarkes und diffamierendes Auftreten darf nicht die Oberhand gewinnen. Ein wirklicher Dialog ist nur in Augenhöhe und nach festen Regeln möglich.
Gegen eine Mehrfachnutzung des Kirchenschiffs, auch als ein „Haus der Demokratie“, auch als Plenarsaal, ist nichts einzuwenden, vorausgesetzt, dass das Gebäude im Äußeren der Architektur des Kirchenschiffes entspricht, ähnlich wie eine solche Symbiose von Historie und Moderne im Reichstagsgebäude gelungen ist.
Bitte setzen Sie sich – für das Einhalten der demokratischen Beschlüsse der SVV ein und die Umsetzung des Bebauungsplanes ein – und für die Schönheit der Potsdamer Mitte!
Potsdam, 5. Januar 2022 Andreas Kitschke